Eine Woche drin

Vier Fragen an Nadia Budde

von Daniel

Eine eigenartige Zeit ist es, in der wir gerade leben. Unerwartet tauchte da ein neuartiges Virus auf, und schlagartig wurde die Welt eine andere.
Während wir Erwachsenen debattieren und streiten, die Entdeckungen der Forschung verfolgen oder um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft bangen, können Kinder nichts Entscheidendes tun außer: den Regeln der Erwachsenen gehorchen.

Die Regeln gelten ja bekanntlich für alle. Der Unterschied ist aber, dass Erwachsene sich schon gefunden haben; fest mit den Beinen im Leben stehen. Kinder sind aber mitten in ihrer Entwicklung. Und so kam gerade für die Jüngsten unter uns dieses garstige Ding mit dem seltsamen Namen SARS-CoV-2 – könnte auch die Heimat von Außerirdischen sein – wie ein Nebel daher, der die Schönheit des Alltäglichen verschlang: Freunde, Schule, Kindergärten und sogar Spielplätze waren auf einmal tabu.

Was Kind stattdessen tun sollte: Drinnen bleiben.

Im Buchhandel haben wir vor allem in unserem Laden in der Kastanienallee mit der großen Kindercomic-Abteilung in der „Corona-Zeit“ einen Anstieg an Verkäufen von Kindercomics, Kinderbilderbüchern oder auch Mangaserien für junge Leser*innen beobachtet. Uns als Buchhändler*innen freut es uns natürlich sehr, wenn Eltern ihren Lieben analoge Medien schenken. Und eine Kindheit voller Geschichten bedeutet eine Zukunft voller Möglichkeiten.

Während wir verkauften, wurden andere kreativ. So auch Nadia Budde. Die Berliner Autorin und Illustratorin arbeitete an einem neuen Buch. „Eine Woche drin“ ist ein spielerisches Werk geworden, das Kinder immer wieder hervorholen können, um fantasievoll-lustige Figuren und eigenartige Wesen zu entdecken, die ihre Woche in den eigenen vier Wänden auf ganz überraschende Weise nutzen. Das verkürzt jede Wartezeit, auch wenn sie mehr als „eine Woche“ dauern sollte.

DS | Liebe Nadia, nachdem das gesellschaftliche Leben auch bei uns herunterfahren musste, hast du angefangen über Instagram die ersten Bilder für “Eine Woche drin” zu posten. Ich hatte zu der Zeit nicht gedacht, dass es ein neues Kinderbuch werden wird. War dir das in der Zeit bereits klar? Wie ist das Projekt entstanden?

NB | Nachdem klar war, dass das eingeschränkte Leben doch etwas länger dauern könnte, stellte sich in der Einengung plötzlich auch eine Art Freiheit ein. Die Zeit verging langsamer, Termine fielen weg. Plötzlich fand ich mich viel öfter an meinem Schreibtisch wieder, ganz absichtslos, mit einem freien Kopf und mit großer Lust zum Zeichnen. Ich habe viel Radio gehört, das Thema des “Zuhause-Seins” bzw. “Drinbleiben-Müssens” und die eingeschränkten Kontakte haben alle beschäftigt. Ich habe mich gefragt – wie wird man, wenn man zu lange drin ist? Vielleicht nimmt man das Inventar der Wohnung stärker wahr, man räumt auf und um, sitzt näher zusammen und unter Umständen hat man gelegentlich das Gefühl mit der Umgebung zu verschmelzen. In vielen Zu-Hause-Gemeinschaften wurde das Essen – auch das gemeinsame Essen – wichtig, man musste auf eingegrenztem Raum zusammen klarkommen. So entstanden die Bildideen zu einer Woche Drinbleiben-Müssen … zunächst ohne die Absicht, ein Buch zu machen.

DS | Wir hoffen ja alle, dass wir diese Zeit der Einschränkungen irgendwann hinter uns haben werden. Mehr noch, dass unsere Kinder nicht noch einmal solch eine harte Phase durchmachen müssen. Aber was glaubst du, was für positive Erfahrungen Kinder aus dieser Phase mitnehmen könnten und konnten? Und welche Rolle spielen (Bilderbuch-) Geschichten darin?

NB | Ich hoffe, dass Bilder und Geschichten eine Rolle während der Zeit gespielt haben, vielleicht sogar eine rettende, unterstützende oder irgendwie auch hilfreiche. Positive Erfahrungen könnten die Wahrnehmung der Zeit sein, die Tatsache dass die Eltern Zeit hatten, dass der eine oder andere Druck wegfiel und sogar aus dem Zustand der Langeweile etwas Neues entstehen kann. Ich bin mir aber dessen bewusst, dass das nur eine Idealvorstellung ist – die Realität sah offenbar auch sehr anders aus.

DS | Deine Bücher strahlen eine Freude am Spiel mit Bildern und Texten aus. Mir fällt da Michael Ende ein, der sagte, dass Kunst aus dem “absichtslosen Spiel” entstehe. So hatte er Jim Knopf geschrieben. Kannst du mit dieser Definition in Bezug auf dein Schaffen etwas anfangen?

NB | Damit kann ich sehr viel anfangen. Sich mit der Absicht, einen Text zu schreiben oder Bilder zu zeichnen an den Schreibtisch zu setzen, funktioniert so gut wie nie bei mir. Das Absichtslose bringt immer die interessantesten Ergebnisse, die Absicht sollte möglichst ganz am Ende stehen, was im Prozess des Schaffens allerdings nicht immer einfach ist.

DS | Wenn du dir einen Wochentag aus “Eine Woche drin” aussuchen müsstest, der sich dann über mehrere Wochen erstreckt, welchen (beziehungsweise welche) deiner lustigen Figuren würdest du dir aussuchen, um fröhlich durch die Zeit zu kommen? Und warum?

NB | Während ich mir diese „Woche drin“ ausgedacht habe, war ich gleichzeitig mit der Übersetzung des “Grinch” von Dr. Seuss beschäftigt. Ganz unbeabsichtigt ist mir die Couchkartoffel vom Montag ein wenig wie der Grinch geraten, ein kleiner roter Grinch, der dann im Aquarium landet. Ich glaube mit diesem oder auch gern mit dem Sesselreißer würde ich gern etwas mehr Zeit verbringen. Der eine hat sich bei mir eingeschlichen, ohne dass ich es bemerkt habe und der andere hat eine gesunde Art gefunden, seine “DrinBleinben”-Agressionen abzubauen. Beides ist mir sympathisch.

DS | Vielen Dank, Nadia, für deine Zeit und deine Werke.


Verwendung der Fotos und Illustrationen in diesem Beitrag mit freundlicher Genehmigung von Nadia Budde.
www.nadiabudde.de